Die Fußball-EM 2024 ist wie ein Brennglas. Binnen vier Wochen stehen die Spieler in einem derartigen öffentlichen Fokus wie nur selten. Auf den Punkt genau müssen sie ihre Leistung bringen. Wer ein gutes Turnier spielt, steigert seinen Marktwert. So schnelllebig unsere Welt ist, so flott gehen auch Marktwerte in die Höhe. Umso größer ist der Druck.
Das ZDF hat dieser Tage eine Dokumentation veröffentlicht. Sie heißt „Druck im Fußball – wenn die Psyche versagt“. Profis outen sich und erzählen, wie sich Mannschaftskollegen vor dem Spiel übergeben, sich den Finger in den Hals stecken. Oder von Schlafstörungen und Durchfall vor dem Spiel. Die Dokumentation stimmt nachdenklich über den Zustand unserer Gesellschaft – und wie wir mit gewissen Themen umgehen.
„Es ist zum Kotzen“: Der Druck auf Profifußballer
Der immense Druck auf Spieler kann zu ernsthaften physischen und psychischen Reaktionen führen. Durchfall und Erbrechen vor Spielen sind keine Seltenheit. Diese Symptome zeigen, wie stark der Stress auf den Körper wirken kann. „Es ist zum Kotzen“ – und das meinen wir wörtlich. Der berühmte Finger in den Hals darf als eine Art Befreiung interpretiert werden. Spieler müssen mit Leistungsdruck, Terminstress und den Erwartungen von Fans und Medien umgehen. Dafür zahlen sie einen Preis, der oft nicht sichtbar ist.
Social Media: Der Fluch der modernen Kommunikation
Social Media hat die Hemmschwelle sinken lassen. Spieler werden nicht nur auf dem Platz, sondern auch online bewertet und kritisiert. Anonyme Beschimpfungen und Drohungen sind an der Tagesordnung. Fußballer wie Robin Gosens berichten von Todeswünschen und Beleidigungen, die ihnen und ihren Familien geschickt werden. Diese Angriffe aus der Anonymität heraus zeigen eine düstere Seite der digitalen Welt.
Es hilft einzig und allein nur, sich präventiv damit auseinanderzusetzen. Der Umgang mit Hassnachrichten ist leider Teil des Prozesses. Das Gute ist: Wer sich sehenden Auges für diesen Beruf entscheidet, kann in der Regel besser mit solchen Situationen umgehen. Niemand wird zum Berufsfußballer gezwungen.
Fußballer im Kreuzfeuer wie Politiker
Der Druck auf Fußballer ist vergleichbar mit dem, was Politiker erleben. Beide stehen ständig im Rampenlicht und werden von Medien und Öffentlichkeit bewertet. Ein Fußballprofi wird ständig beobachtet und beurteilt – nicht nur für seine sportlichen Leistungen, sondern auch für sein Verhalten abseits des Platzes. Fußballer stehen ähnlich im Kreuzfeuer wie Politiker. Nur dass sie deutlich besser bezahlt werden.
Schulnoten und ihre Auswirkungen
Die Praxis, Fußballspieler nach jedem Spiel mit Schulnoten zu bewerten, löst oft Hilflosigkeit aus. Diese Noten reflektieren nicht immer die Leistung oder den Einsatz eines Spielers, sondern oft nur die Wahrnehmung der Journalisten. Für die Spieler kann dies frustrierend und entmutigend sein, besonders wenn sie sich an die taktischen Vorgaben des Trainers halten und trotzdem schlecht bewertet werden. Auch damit müssen Spieler klar kommen. Besser: Sie sollten solche subjektiven Bewertungen gar nicht an sich ranlassen. Gewichten die Spieler ihre Note zu stark, leidet bei einer schlechten Bewertung die Leistung auf dem Platz. Oder um es mit Paul Watzlawick zu sagen: „Worte schaffen Wirklichkeit.“ Das sollten sich die Spieler bewusst machen.
Mentale Unterstützung im Sport
Es wird immer klarer, dass Fußballer nicht nur körperliche, sondern auch mentale Unterstützung benötigen. Sportpsychologen könnten hier helfen, sind aber oft unterbezahlt und nicht ausreichend anerkannt. Es wird die Zahl von 50.000 Euro für einen Psychologen genannt. Das ist im Vergleich zu den Gehältern der Spieler ein Witz. Dabei ist die mentale Gesundheit ein entscheidender Faktor für die Leistung und das Wohlbefinden der Spieler, und es ist an der Zeit, diesem Thema mehr Bedeutung zu geben. Fußballer sollten mehr Mut haben, sich auf die Psychologie einzulassen – und öffentlich damit umzugehen.
Mehr zum Thema gibt´s in meinem Podcast „Finde den Kern“.