Weihnachten, Erwartungen und wie wir vergeben können

Wenn man darüber nachdenkt, dass Advent eigentlich heißt, ankommen und sich vorzubereiten, sollte es eine Zeit der Besinnung sein, der Ruhe, der inneren Einkehr, der Reflexion. Im Alltag sehen wir das Gegenteil: Alles muss noch mal schnell erledigt werden, als wenn es kein neues Jahr gibt. Die Leute oder die Menschen wollen schnell etwas abschließen, noch mal kurz etwas erledigen, damit sie quasi guten Gewissens ins Weihnachtsfest und ins neue Jahr gehen können. Und ich glaube, der eine oder andere macht sich selbst einfach auch von alleine Stress, ohne dass es notwendig wäre.

Das Weihnachtsfest ist ja angelegt an alte Rituale, an alte Gebräuche. Die haben nichts mit dem Christentum zu tun. Das ging ja schon bei den Kelten los. Wir gehen in die innere Ruhe – und es ist in unserer Zeit auch verbunden mit dem Jahreswechsel. Wenn es nachher wieder heller wird, wenn etwas Neues anbricht, möchten wir natürlich gerne viele alte Sachen zur Seite legen, ablegen, beenden, damit wir eine neue Chance haben, dann in den Aufbruch zu gehen und Kraft zu sammeln.

Wichtig in diesen Zeiten sind Rituale. In den Gottesdienst gehen, das ist ein Kontinuitätsritual. Es hilft uns für die Besinnung, denn Weihnachten ist ja ein sehr kommerzielles Fest geworden. Wir sind gestresst mit Weihnachtsgeschenken. Wir sind gestresst alles einzukaufen, damit der Essenstisch quasi brechend voll ist und alle zufrieden sind. Die Kirche bietet Kontinuität und Ruhe.

Das Treffen an Heiligabend mit der Familie ist ebenfalls ein Kontinuitätsritual. Diese Rituale bringen oder geben uns Geborgenheit, Sicherheit, eine gewisse Struktur. Sie sind sehr ganzheitlich, weil sie Körper, Seele und Geist im Normalfall gleichermaßen ansprechen. Sie reduzieren eine Entscheidung oder einen Entscheidungsdruck, weil klar ist: Wir machen das immer so. Man muss sich keine Gedanken um Heiligabend machen. Sie fördern ein Gemeinschaftsgefühl, eine Zugehörigkeit, sie fördern auch ein Gefühl von Vertrauen. Im positiven Sinne geben sie positive Emotionen.

Es gibt viele kritische Themen zu Weihnachten: „Oh, da müssen wir hier hin, da müssen wir zu der Familie, da müssen wir zu der anderen Familie und dann müssen wir dahin und dann kommen die ganzen Leute und dann müssen wir drei Tage lang essen …“ 

Vielleicht ist Weihnachten nicht das Fest, die Themen wirklich anzusprechen. Aber die Themen sind ja da. Deshalb könnten wir die Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft für genau diese unangenehmen Themen nutzen. Um sie aus der Welt zu schaffen und um zu vergeben. Sonst wird das Fest nicht ehrlich und friedlich. Auch wenn ich Themen unter den Teppich kehre, sind sie noch da.

Ich persönlich nutze den Silvester-Tag, um Menschen zu vergeben. Ich setze mich hin, denke über das Jahr nach und was mir wie widerfahren ist. Und dann vergebe ich ihnen in Gedanken. Das ist mein persönliches Vergebungsritual. Ich schreibe auch Ereignisse auf, für die ich dankbar bin, die mich bereichert haben. Weil wir dazu neigen, eher an die negativen Dinge zu denken und nicht an die positiven, die uns aber ja Freude, Dankbarkeit bringen – und in eine positive Schwingung.

Vorsätze fürs neue Jahr sind gut. Sie sollten aber realistisch sein. Wenn ich nie Sport gemacht habe und mir jetzt auf einmal vornehme, drei Tage in der Woche ins Fitnessstudio zu gehen, bin ich im Februar schon wieder raus. Es sollten Ziele sein, die ich in meinen Alltag einbauen kann. Lieber etwas kleiner anfangen, damit es eine Gewohnheit wird, als zu viel und es wird zur Überforderung. Viele überschätzen sich und schätzen ihre Ressourcen völlig unrealistisch ein. Macht einen Realitätscheck mit euren Gewohnheiten. Weniger ist mehr.

Deshalb gilt: Lieber nur zwei Vorsätze – und die auch durchhalten. Wenn ich die beiden Vorsätze durchhalte, kommt vielleicht noch ein dritter hinzu. Das ist besser, als fünf auf die Liste zu schreiben und nur mit einem durchs Jahr zu kommen.

Druck ist dabei kein gutes Mittel, aber Motivation. Bei Menschen, die sehr leistungsmotiviert sind, kann Druck eher negativ sein und zu Stress führen. Übrigens empfehle ich auch: Nehmt die Low Hanging Fruits und nicht die, die ganz oben hängen, die sind sehr anstrengend.

Meine drei Tipps für die Feiertage sind: 

  1. Frag dich selbst, was du brauchst, friedvolle und schöne Weihnachten zu verleben, zu verbringen zu können. 
  2. Überlege dir im Vorfeld, was kannst du tun, das noch proaktiv und konstruktiv zu gestalten? 
  3. Schaffe dir Freiraum. Und organisiere dich, wenn möglich so, dass du auch frühzeitig deine Dinge machst und nicht erst am 24. Das ist übrigens dieses Jahr ein Sonntag, nur zur Erinnerung. Da kann man keine Geschenke mehr kaufen.

Zum Thema spricht Dr. Annelen Collatz auch in ihrem Podcast „Finde den Kern“ – abzurufen unter https://ac-campus.de/podcast/. Das Gespräch dauert 30 Minuten.